Der Schutz der Biodiversität & Ökosysteme – die (österreichische) Finanzindustrie steht erst am Anfang einer (überlebens-)wichtigen Reise

Susanne Hasenhüttl und Katharina Muner-Sammer

Die Biodiversität, also die Vielfalt an Leben auf der Erde, befindet sich in einem alarmierenden Zustand. Schätzungen zufolge sind weltweit bis zu eine Million Arten vom Aussterben bedroht, ein direktes Resultat menschlicher Aktivitäten wie Landwirtschaft, Urbanisierung und industrielle Expansion. Die Krise der Biodiversität erscheint daher auch als eine Krise der Werte der Natur, wie Stefan Knauß in seinem Artikel „Vom Wert der Natur und wie wir ihn als Hebel einsetzen“[1] schreibt und sich die Frage stellt, ob es uns an Achtung und Respekt vor der Natur fehlt. Der Mensch sieht in der Natur oft nur die „Ressource“. Aber selbst unter dieser Annahme muss uns bewusst sein, dass die Ressourcen in einer endlichen Welt endlich sind und dass die Biodiversitätskrise nicht nur ökologische, sondern zunehmend auch ökonomische und soziale Systeme beeinträchtigt.

Heruntergebrochen auf unsere derzeitigen Wirtschaftssysteme stehen auch Banken und Finanzdienstleister vor der Herausforderung, in ihren Geschäftsstrategien sowohl ökonomische als auch ökologische Aspekte zu berücksichtigen, um eine nachhaltige Zukunft zu fördern. Es geht für sie nicht nur um die Minimierung von Risiken und finanziellen Einbußen aufgrund des Biodiversitätsverlustes und der damit verbundenen Verringerung der Ökosystemleistungen, sondern auch um die Verringerung der negativen Auswirkungen der eigenen Investitionen und wirtschaftlichen Handlungen.

Der Schutz der Biodiversität wird daher mittlerweile verstärkt in gesetzliche Rahmenwerke für die Finanz- und Realwirtschaft integriert, z.B. in die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD -Nachhaltigkeitsberichterstattung), der EU-Taxonomie und dem EU-Lieferkettengesetz (CSDDD). Zudem gibt es auch Initiativen auf freiwilliger Basis wie z.B. „Finance for Biodiversity Pledge“.

Die Integration von Biodiversität in das Alltagsgeschäft von österreichischen Finanzinstitutionen steht jedoch erst am Anfang. Das bestätigt auch Nora Berger in ihrer Masterarbeit „Biodiversity Accounting – Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung österreichischer Banken“ [2]. Beispielsweise zeigt sich bei der Analyse von zwölf Nachhaltigkeitsberichten von ausgewählten österreichischen Finanzinstituten über das Jahr 2022, dass keiner der Berichte qualitative oder quantitative Zielsetzungen in diesem Bereich hat, die das Kerngeschäft betreffen.

Berger führt dies vor allem auf zwei Faktoren zurück: Einerseits fehlt es noch am Verständnis für das Thema in den Unternehmen, andererseits gibt es noch zu wenige Daten, Methoden und Indikatoren, um Biodiversität ins Finanzgeschäft zu integrieren. Dies wird sich aller Voraussicht aufgrund der Regulatorik und des potenziellen Drucks der Aufsichtsbehörden ändern. Berger identifizierte in ihrer Forschungsarbeit die Regulatorik als den größten Treiber sich mit dem Thema zu beschäftigen, gefolgt von weiteren Faktoren wie Reputationsgewinn, Geschäftschancen und der Einfluss von Biodiversität auf das Risikomanagement.

In Österreich selbst haben zwei Finanzinstitutionen 2023 den „Finance for Biodiversity Pledge“ unterzeichnet: die VBV Vorsorgekasse AG und die Raiffeisen Kapitalanlagegesellschaft m.b.H.. Bisher gibt es 170 unterzeichnenden Finanzinstitutionen, die sich dazu verpflichten die biologische Vielfalt durch ihre Finanzaktivitäten und Investitionen zu schützen und wiederherzustellen (und hierzu auch die Politik aufzufordern). Dazu müssen Finanzinstitutionen folgende fünf Schritte gehen: Zusammenarbeit und Wissensaustausch, Engagement mit Unternehmen, Bewertung der eigenen Impacts, Festlegung von Zielen und öffentliche Berichterstattung über die Tätigkeiten in diesem Bereich. Ab 2025 sind die ersten Berichte über ihre Tätigkeiten, der unterzeichnenden Unternehmen zu erwarten.

Die Erste Asset Management hat 2023 eine Biodiversitäts-Richtlinie veröffentlicht. Dazu sollen bis 2030 spezifische Daten zur Artenvielfalt und zu Ökosystemen in den Active Ownership Ansatz implementiert werden, um Unternehmen zu identifizieren, die Biodiversitätsrisiken aufweisen und in diesem Zusammenhang Verbesserungspotenzial haben. Weiter sollen Aktionärsanträge, die sich speziell auf die Themen Artenvielfalt und Ökosysteme beziehen, unterstützt und Engagement-Initiativen mit Unternehmen, für die Verbesserungspotential festgestellt wurde, gestartet werden. Falls das Engagement nicht erfolgreich ist, ist die letzte Eskalationsstufe Divestment.

Tatsächlich steht die österreichische Finanzindustrie mit diesen Aktivitäten und Überlegungen erst am Anfang. In diesem Zusammenhang wird auch die Rolle der globalen wissenschaftlichen und politischen Gemeinschaft immer wichtiger, um innovative Lösungen zu fördern und umzusetzen, die auch die Wechselwirkungen zwischen Biodiversität, Klimawandel und sozioökonomischen Systemen berücksichtigen. Die gemeinsame Behandlung der Klima- und Biodiversitätskrise kann als Wegweiser für eine nachhaltige Zukunft dienen, in der ökonomische und ökologische (sowie soziale) Ziele im Einklang stehen.

Quellen

[1] Knauß, St. (2023). Vom Wert der Natur und wie wir ihn als Hebel einsetzen, in: Ökologisches Wirtschaften 4/2023, Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Berlin.

[2] Berger, N. (2024). Biodiversity Accounting – Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung österreichischer Banken, Masterarbeit eingereicht bei LIMAK Austrian Business School, Linz.