BVI: Rekord beim verwalteten Vermögen von Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen – Schwächen im Regulierungskonzept bremsen Neugeschäft

Investmentfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen verwalteten per Ende Dezember 2023 ein Vermögen von 905 Milliarden Euro für private und institutionelle Anleger in Deutschland. Das bedeutet auf Jahressicht ein Plus von 20 Prozent und einen neuen Rekordstand. Mehr als drei Viertel des Gesamtvermögens entfielen auf Publikumsfonds; damit machten Produkte gemäß Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung die Hälfte des gesamten Publikumsfonds-Vermögens aus. Auch das Segment der Spezialfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen wuchs sprunghaft auf 208 Milliarden Euro. Das entspricht 10 Prozent des Spezialfondsmarktes. Die auf der Offenlegungsverordnung beruhenden Werte unterschätzen aber vermutlich die Verbreitung des Nachhaltigkeitsgedankens bei Spezialfonds, deren Anlagestrategie oft individuell nach den Anforderungen institutioneller Anleger wie zum Beispiel Kirchen oder Stiftungen ausgestaltet wird.

Das Wachstum des verwalteten Vermögens im Jahr 2023 beruhte vor allem auf der positiven Wertentwicklung an den Aktien- und Anleihemärkten sowie Umklassifizierungen bestehender Fonds. Das Neugeschäft war dagegen schwach. Artikel-8-Fonds und Artikel-9-Fonds verzeichneten Rückflüsse in Höhe von zusammen 5,4 Milliarden Euro – obwohl deutsche Anleger insgesamt auf Jahressicht rund 52 Milliarden Euro in Investmentfonds investierten. Spezialfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen erzielten zwar ein positives Neugeschäft, konnten damit die Abflüsse aus Publikumsfonds aber nicht kompensieren. Vor allem Mischfondsanteile wurden zurückgegeben. Darüber hinaus konnten auch Aktien- und Rentenfonds nicht vom positiven Branchentrend profitieren.

Hintergrund für die Anlegerzurückhaltung bei Artikel-8/9-Fonds ist einerseits die veränderte geopolitische Lage. Seit Anfang 2022 haben viele Nachhaltigkeitsstrategien nicht an der guten Wertentwicklung bei Anlagen im Energie- und Rüstungsbereich partizipiert. Andererseits schreckt der regulatorische Rahmen in der EU zunehmend Anleger von Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen ab: Viele Kunden geben zum Beispiel ein „Nein“ bei der obligatorischen Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen an, um sich die volle Flexibilität in der Anlagenauswahl zu erhalten. Darüber hinaus scheitern selbst interessierte Anleger oft an der Komplexität der vorgegebenen Fragen, etwa zu Mindestquoten oder nachteiligen Auswirkungen, die sie berücksichtigen möchten. Weil Definitionen und Standards fehlen, sind verpflichtende Angaben zu den Nachhaltigkeitsmerkmalen außerdem regelmäßig nicht vergleichbar. Das führt zusätzlich zur Verunsicherung vieler Privatanleger.

Aufgrund der Schwächen im EU-Regulierungskonzept hat die EU-Kommission im Jahr 2023 eine grundsätzliche Überprüfung der Offenlegungsverordnung gestartet. In diesem Zuge wird unter anderem ein neues Produktklassifizierungssystem in Sachen Nachhaltigkeit diskutiert, welches die bisherigen Transparenzpflichten weiterentwickeln oder ergänzen könnte. Wir begrüßen diese Überprüfung, denn klare Nachhaltigkeitsstandards und leicht verständliche Produktkategorien könnten das Vertrauen in nachhaltige Produkte wieder herstellen.