INTERVIEW

BVI - Bundesverband Investment und Asset Management e.V.

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Drei Fragen an den BVI

1. Fünf Jahre nach dem EU-Aktionsplan: Wo steht die Branche im Vergleich zu damals?

Der Markt für nachhaltige Fonds hat sich seit der Vorstellung des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen 2018 dynamisch entwickelt. Insbesondere der Publikumsfondsmarkt für nachhaltige Geldanlagen hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Die Aufbruchstimmung in der Branche ist zuletzt jedoch einer spürbaren Ernüchterung gewichen. Wir haben eine ständig steigende Flut an Regulierungen, die in weiten Teilen nicht aufeinander abgestimmt sind. Ein einheitlicher Standard, der definiert, was Nachhaltigkeit eigentlich ist, fehlt immer noch, und die Anbieter werden mit kleinteiligen und teils überflüssigen Anforderungen belastet.

2. Die SFDR ist als Transparenzverordnung gedacht, wird aber vom Markt als Produktstandard genutzt. Das führt zu Unsicherheit. Wie lässt sich diese Situation auflösen?

Wir sind unzufrieden mit der Situation, denn auch deswegen gibt es Vorwürfe der Grünfärberei, obwohl Anlagestrategien zutreffend offengelegt wurden. Die EU-Vorgaben liefern so viel Interpretationsspielraum, dass Fondsanbieter auf Nummer sicher gingen und vor Umsetzung der technischen Regulierungsstandards der SFDR Anfang 2023 flächendeckend Artikel-9-Fonds auf Artikel- 8-Fonds umklassifiziert haben. Im Vertrieb verlieren beide jedoch zunehmend an Bedeutung, da der Fokus auf qualitativen Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger liegt.

Wichtig ist, dass die EU endlich synchron vorgeht und den zweiten Schritt nicht vor dem ersten macht. Inzwischen entwickelt die ESMA Leitlinien für Fondsnamen mit ESG-Bezug, während die EU-Kommission parallel angekündigt hat, die SFDR grundsätzlich zu überprüfen. Diese Vorhaben bieten die Chance, endlich die notwendige Standardisierung herbeizuführen, müssen aber inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmt sein.

3. Nächstes Frühjahr wird ein neues EU-Parlament gewählt und eine neue EU-Kommission gebildet. Welche Themen sollte sie setzen?

Sie muss das Regelchaos beenden und nachhaltiges Investieren für Anleger bewertbar machen. Produkte sollten sich anhand ihrer Nachhaltigkeitsmerkmale besser voneinander abgrenzen lassen, ohne dass die Regulierung noch komplexer wird. Ein zusätzliches Siegel könnte das Gegenteil bewirken. Sinnvoller wäre es, die bereits als Standards verwendeten Artikel-8- und -9-Kriterien mit Qualitätsmerkmalen zu verbinden.

Entscheidend ist zudem die Verfügbarkeit von belastbaren Daten. Der Schwerpunkt sollte hier auf dem Reportingstandard CSRD und der Einrichtung des ESAP (zentrales EU-Register für Unternehmensdaten) liegen. Zusätzlich benötigen wir dringend mehr Transparenz bei den Methoden und Kosten von ESG-Ratings.

Schließlich müssen wir die polarisierte Debatte über nachhaltiges Investieren auf die ursprüngliche Zielsetzung, nämlich die Unterstützung der nachhaltigen Transformation, zurückführen. Wegweisend wird sein, wie das industrielle Rückgrat Europas den Übergang von „braun“ zu „nachhaltig“ schafft. Die Integration eines glaubwürdigen „Best in transition“-Ansatzes in nachhaltige Anlageprodukte ist für die Erreichung der EU-Ziele daher unabdingbar.